Heft 02/2024

Heft Februar 2024

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 02/24 - Inhalt

  • Wie passen Stellenabbau und Personalnot zusammen?

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie - Alles gleich, oder doch nicht?

  • Umsätze in der Zeitarbeit sinken im vierten Quartal 2023

  • Job-Turbo: Gelingt die Integration ukrainischer Geflüchteter in den Arbeitsmarkt?

  • Band 5 der Schriftenreihe der Stiftung flexible Arbeitswelt erschienen: Positionen zum Thema Weiterbildung und Qualifizierung - am Beispiel des Nürnberger Qualifizierungsverbunds

  • Zeitarbeit im Zeichen der Zeit - 40 Jahre Blickpunkt Dienstleistung Hartmut Franke

  • Hays Fachkräfte-Index Q4/2023 - Arbeitsmarktresilienz: Trotz Krise steigt die Suche nach Fachkräften

  • 87 % der Unternehmen kämpfen mit einem Arbeitskräftemangel

  • Erster Bachelor-Studiengang mit Schwerpunkt Personaldienstleistung initiiert / Fachhochschule des Mittelstands (FHM) und Gesamtverband der Personaldienstleister (GVP) unterzeichnen Kooperationsvertrag

  • Bundesarbeitsgericht: Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

  • IAB-Arbeitsmarktbarometer bleibt im leicht positiven Bereich

  • Vorstandswechsel in der JOB AG - Wigbert Biedenbach scheidet nach langjähriger Vorstandstätigkeit aus

  • kununu & Co.: Was ist auf Arbeitgeberbewertungsportalen erlaubt - und was nicht?

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie – Alles gleich, oder doch nicht?

Die Inflationsausgleichsprämie (nachfolgend kurz: IAP) nach § 3 Nr. 11c EStG ermöglicht es Arbeitgebern, Arbeitnehmern im Zeitraum vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 zum Zweck der Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu 3.000,00 EUR als steuer- und abgabenfreie Sonderleistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu gewähren. Davon ist inzwischen reger Gebrauch gemacht worden. Die Mehrheit der deutschen Unternehmen hat ihren Arbeitnehmern bereits eine IAP bezahlt – so eine aktuelle Studie des ifo Instituts. Das gaben zumindest 72% der befragten Personalleiter an. Weitere 16% der Unternehmen planen, eine solche demnächst auszuzahlen. Bei 27% erfolgte die Gewährung auf Grundlage eines Tarifvertrages. Nur 12% der Befragten wollen den Arbeitnehmern keine IAP zahlen (vgl. https://www.ifo.de/ pressemitteilung/2024-01-03/ mehrheit-der-unternehmen-zahlte- inflationsausgleich).

In der Praxis wird die IAP regelmäßig nicht mit der „Gießkanne“ verteilt, sondern mit einer Auszahlungsmatrix verknüpft, die bestimmte, vom Arbeitgeber festgelegte oder tariflich vorgegebene Kriterien vorsieht, durch die Arbeitnehmer oder Mitarbeitergruppen eine geringere Zahlung erhalten oder von einer solchen in Gänze ausgeschlossen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt werden – so auch in der Zeitarbeitsbranche, für die (anknüpfend an den Geltungsbereich der Branchenzuschlagstarifverträge) inzwischen einige ergänzende Tarifverträge über die Zahlung einer IAP geschlossen worden sind, u.a. für die M+E- und die Chemische Industrie (s. dazu ausführlich: Bissels, BD 1/2024, 3 ff.).

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob derartige Differenzierungen, insbesondere unter Berücksichtigung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes oder besonderer gesetzlicher Benachteiligungsverbote, zulässig sind – so auch in der hier besprochenen Entscheidung des ArbG Stuttgart mit Blick auf eine Unterscheidung zwischen unbefristet und befristet beschäftigten Arbeitnehmern (Urt. v. 14.11.2023 – 3 Ca 2173/23).

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Dem Urteil lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger, der einen Anspruch auf die Zahlung einer IAP i.H.v. 1.000,00 EUR geltend macht, war zunächst befristet bis zum 13.06.2022 bei der Beklagten in Teilzeit beschäftigt, wobei die Befristung bis zum 30.06.2023 verlängert wurde.

Im Dezember 2022 teilte die Beklagte mit, dass Mitarbeiter im Januar 2023 eine IAP i.H.v. 1.000,00 EUR erhalten sollen. Es gelten laut den FAQ zur IAP u.a. folgende Voraussetzungen:

„Wer erhält eine IAP im Januar 2023? […] 

1. Es besteht ein aktives Beschäftigungsverhältnis im Dezember 2022. 

2. Es besteht ein ungekündigtes Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Gehaltsabrechnung im Januar 2023. 

3. Im Falle einer Befristung muss das Befristungsende am 31.12.2023 oder später liegen.“

Dem Kläger wurde die IAP nicht ausgezahlt. Nach der außergerichtlichen Geltendmachung wies die Beklagte den Zahlungsanspruch mit der Begründung zurück, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die IAP nicht (hier: Ziff. 3).

Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Zahlung einer IAP i.H.v. 1.000,00 EUR. Die unterschiedliche Behandlung der Mitarbeiter mit einem befristeten Arbeitsverhältnis (mit Blick auf Ziff. 3 der obigen Voraussetzungen) verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Das ArbG Stuttgart gab der Klage statt. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die Zahlung einer IAP aus § 611a BGB i.V.m. § 4 Abs. 2 TzBfG zu. Die Herausnahme von befristet beschäftigten Arbeitnehmern, deren Befristungsdauer vor dem 31.12.2023 ende, von der Gewährung der IAP verstoße gegen das Benachteiligungsverbot aus § 4 Abs. 2 TzBfG.

Zwar sei der von der Beklagten gewählte Zweck, neben dem Inflationsausgleich auch die Betriebstreue honorieren zu wollen, nicht unbillig. Jedoch benachteiligten die konkreten Voraussetzungen befristet beschäftigte Arbeitnehmer, da von ihnen für den Erhalt der IAP im Vergleich zu unbefristet tätigen Mitarbeitern eine längere Betriebstreue verlangt werde. Bei Sonderzahlungen, die ausschließlich die Betriebstreue belohnten, könnten befristet beschäftigte Arbeitnehmer, die am Stichtag nicht mehr beschäftigt seien, von einem Anspruch ausgenommen werden (vgl. ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rn. 67). Allerdings dürfe eine Sonderzahlung an einen befristet beschäftigten Arbeitnehmer nicht von einer längeren Betriebstreue als jener eines unbefristet beschäftigten Mitarbeiters abhängig gemacht werden, da die Betriebstreue bei beiden Gruppen gleich zu bewerten sei (vgl. Boecken/Joussen, § 4 TzBfG Rn. 75).

Die Beklagte habe grundsätzlich einen billigenswerten Zweck verfolgt, mit der Zahlung der IAP die zukünftige Betriebstreue zu belohnen. Sie habe die Gewährung daran geknüpft, dass im Dezember 2022 ein Arbeitsverhältnis bestehe, das im Auszahlungszeitpunkt noch nicht gekündigt sei. Damit habe sie auf einen einheitlichen Stichtag für befristet und unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer abgestellt, zu dem bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssten. Die Beklagte setze für befristet beschäftigte Arbeitnehmer aber zusätzlich voraus, dass deren Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.12.2023 ende. Im Ergebnis wende die Beklagte damit unterschiedliche Stichtage für unbefristet und befristet beschäftigte Arbeitnehmer an. Für beide Arbeitnehmergruppen gölte der Auszahlungszeitpunkt (Januar 2023) als Stichtag, bei dem das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt werde. Für die befristet beschäftigten Arbeitnehmer sei darüber hinaus der weitere Stichtag am 31.12.2023 vorgesehen, zu dem das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verlangt werde.

Diese Differenzierung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sie nehme befristet beschäftigte Arbeitnehmer von der Zahlung aus, wenn ihre Befristung vor dem 31.12.2023 auslaufe. Der Bezugszeitraum für die Betriebstreue sei folglich das Jahr 2023. Die Beklagte bewerte dabei die Betriebstreue unbefristet Beschäftigter höher als die der befristet tätigen Arbeitnehmer im Jahr 2023. Während unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer die IAP selbst dann erhielten, wenn sie im Zeitraum von Februar bis 30.12.2023 vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag ausschieden, werde befristet beschäftigten Mitarbeitern die IAP nur dann gewährt, wenn ihre Befristung am 31.12.2023 oder später ende. Im Extremfall könne ein unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer am 01.02.2023 das Arbeitsverhältnis fristlos beenden und hätte trotzdem Anspruch auf die IAP, während ein bis 30.12.2023 befristet beschäftigter Arbeitnehmer trotz einer deutlich längeren Betriebstreue von der Zahlung ausgenommen bliebe.

Die Differenzierung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass bei unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern ein Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2023 anzunehmen sei (die vorherige Kündigung durch den Arbeitnehmer sei nämlich möglich), während bei befristet beschäftigten Arbeitnehmern deren (baldiges) Ausscheiden bereits zum Stichtag im Januar 2023 feststehe (die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber sei nämlich möglich). Die Betriebstreue der befristet beschäftigten Arbeitnehmer im für die Auszahlung maßgeblichen Jahr 2023 werde insoweit unterschiedlich gewichtet, als dass sie erst ab dem 31.12.2023 berücksichtigt werde.

Soweit die Ungleichbehandlung nur durch Gewährung eines eigenständigen Leistungsanspruchs beseitigt werden könne, führe ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 4 Abs. 2 TzBfG zur uneingeschränkten Anwendung der vorenthaltenen, begünstigenden Regelung (hier: Zahlung von 1.000,00 EUR) und habe unmittelbar anspruchsbegründende Wirkung. Der Anspruch des Klägers sei nicht auf den Zeitraum der befristeten Beschäftigung bis 30.06.2023 begrenzt. Die Beklagte gewähre unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern unabhängig davon, ob ihr Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2023 fortbestehe, die IAP (in voller Höhe). Die aus § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG folgende Gleichbehandlung erfordere es daher, den befristet beschäftigten Arbeitnehmern, die im Auszahlungszeitpunkt im Januar 2023 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stünden, die IAP im vollen Umfang zu gewähren. Andernfalls wirke die Schlechterstellung gegenüber unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern fort.

II. Bewertung 

Das ArbG Stuttgart liegt mit seiner Bewertung, dass hiesig befristet beschäftigte Arbeitnehmer unzulässig benachteiligt werden (mit einer folgerichtigen „Anpassung nach oben“), richtig. Der Arbeitgeber ist zwar grundsätzlich berechtigt, die Gewährung einer IAP zulässigerweise – neben dem Sozialzweck – (auch) mit der Betriebstreue zu verknüpfen (vgl. ArbG Hagen, Urt. v. 19.09.2023 – 4 Ca 604/23; Uffmann, NZA 2023, 72; Bissels/ Block/Wernecke, AuA 12/2022, 14 ff.), jedoch dürfte dieser grundsätzlich nicht berechtigt sein, die Anforderungen an die zu leistende Betriebstreue bei befristet tätigen Mitarbeitern anders zu bemessen als bei unbefristet angestellten Arbeitnehmern, indem dieser den maßgeblichen Stichtag für die befristet Beschäftigten de facto um ca. 11 Monate nach hinten (...)



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