Heft 11/2023

Heft November 2023

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 11/23 - Inhalt

  • Fachkräftesituation bleibt sehr kritisch

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven 13 years after - die CGZP beschäftigt weiterhin die Gerichte!

  • Digitalisierungsgrad in der Zeitarbeit: Jedes dritte Unternehmen nurzt bereits fortgeschrittene Softwarelösungen

  • Hohe Zufriedenheitswerte bei Beschäftigten in der Zeitarbeit

  • Vollzeitbeschäftigte wünschen sich kürzere Arbeitszeiten

  • Ingrid Hofmann beim „Arbeitsmarktgipfel" im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

  • BAP Job-Navigator 11/2023: "Bundesländerranking" Aktuelle Analyse: Stellenmarkt bricht in den neuen Bundesländern besonders stark ein

  • Hays Fachkräfte-Index Q3/2023: Nachfrageeinbruch im dritten Quartal

  • Arbeitsrecht: In diesem Fall können Ihre Urlaubstage verfallen

  • Orizon Weihnachtsspende: „EmpowerLand" erhält Unterstützung für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern

  • Neue Versicherung gegen Subsidiärhaftungsschäden bietet Entleihern in der Zeitarbeit erstmals mehr Flexibilität und Sicherheit als Bankbürgschaften

  • Zeitarbeit: Ein kraftvoller Motor für die nachhaltige Arbeitsmarktintegration

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

13 years after – die CGZP beschäftigt weiterhin die Gerichte!

Im Dezember 2010 (!) hat das BAG festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist (vgl. BAG v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10; dazu: Bissels, BB 2011, 893) und die von der Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge keine wirksame Grundlage darstellen, um den Gleichstellungsgrundsatz (hinsichtlich des Entgelts) abzubedingen. In der Folgezeit sahen sich Zeitarbeitsunternehmen, die die CGZP-Tarifverträge angewendet haben, Nachforderungsansprüchen ihrer Mitarbeiter und – für die Praxis in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich bedeutsamer und oftmals existenzbedrohend – der DRV konfrontiert, die Sozialversicherungsbeiträge auf das oftmals höhere Vergleichsentgelt der Stammbeschäftigten geltend machte. Gerade mit Blick auf das „recht offensive“ Vorgehen der DRV mussten zahlreiche offene Rechtsfragen von den Sozialgerichten geklärt werden. Dies ist inzwischen durch das BSG erfolgt (vgl. BSG v. 16.12.2015 – B 12 R 11/14 R; BSG v. 18.01.2018 – B 12 R 3/16 R; BSG v. 04.09.2018 – B 12 R 4/17 R; BSG v. 27.04.2021 – B 12 R 18/19 R). Dennoch ist die gerichtliche Aufarbeitung der Causa „CGZP“ (immer) noch nicht abgeschlossen, wie eine jüngst veröffentliche Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 25.04.2023 – L 11 R 3007/21 WA; Vorinstanz: SG Karlsruhe v. 18.12.2014 – S 10 R 505/14) zeigt.

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Dem Urteil lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war in der Rechtsform einer GmbH im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Inzwischen wurde die Gesellschaft aufgelöst. Durch Beschluss des AG Karlsruhe vom 01.03.2016 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen.

Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Klägerin und deren Zeitarbeitnehmern waren die Tarifverträge der CGZP. Die beklagte DRV wandte sich mit Schreiben vom 19.10.2011 an die Klägerin und teilte u.a. mit, es sei die Durchführung einer Betriebsprüfung „zum Jahresende“ beabsichtigt, um die equal pay-Ansprüche der Zeitarbeitnehmer zu ermitteln. Nach einer entsprechenden Ankündigung fand vom 13.02.2012 bis zum 15.02.2012 die Betriebsprüfung bei der Klägerin statt, im Rahmen derer die individuellen equal pay-Ansprüche der Beschäftigten nicht ermittelt werden konnten, weil aus den Lohnunterlagen nicht ersichtlich war, an welche Kunden die Mitarbeiter verliehen bzw. welche Tätigkeiten von diesen verrichtet wurden.

Nach Anhörung der Klägerin erklärte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2013 gegenüber der Klägerin, es ergebe sich für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 eine Nachforderung in Höhe von 646.444,89 EUR (einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 133.027,50 EUR). Da das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt habe, seien die geschlossenen Tarifverträge ungültig. Dies habe equal pay-Ansprüche der betroffenen Beschäftigten zur Folge. Im Rahmen der Betriebsprüfung seien keine Unterlagen vorgelegt worden, die für die Ermittlung der equal pay-Ansprüche der überlassenen Arbeitnehmer zwingend benötigt würden. Angaben über die Vergütung der Stammbelegschaft bei den Kunden seien klägerischerseits nicht eingeholt worden. Es seien – auch nicht auf die wiederholte Aufforderung – keine Auskünfte über die Kundenbetriebe sowie über die ausgeübten Tätigkeiten der klägerischerseits überlassenen Arbeitnehmer erteilt worden. Aus diesem Grund sei die Höhe der maßgeblichen Arbeitsentgelte für jeden Zeitarbeitnehmer zu schätzen gewesen.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, der von der DRV zurückgewiesen wurde. Die Klägerin erhob gegen den ihr nach eigenen Angaben am 16.01.2014 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 07.01.2014 am 13.02.2014 Klage bei SG Karlsruhe und führte aus, sie habe bis zu der rechtskräftigen Entscheidung des BAG im Dezember 2010 davon ausgehen können, dass die allgemein in der Branche angewandten Tarifverträge der CGZP wirksam gewesen seien, und hätte deshalb darauf vertrauen dürfen, dass – unabhängig von der in den Arbeitsverträgen vereinbarten Ausschlussklausel – keine Beitragsnachforderungen für zurückliegende Zeiten geltend gemacht werden könnten. Dies auch deshalb, weil die Beklagte selbst während des gesamten Zeitraumes, für den nunmehr Beitragsnachforderungen geltend gemacht würden, bei ihren turnusmäßigen Betriebsprüfungen die Anwendung dieses Tarifvertrages akzeptiert und keine Bedenken gegen diese Entlohnung mitgeteilt habe. Des Weiteren werde gegenüber den Beitragsnachforderungen die Einrede der Verjährung erhoben. Im Zeitpunkt der im Jahr 2012 durchgeführten Betriebsprüfung seien eventuelle Beitragsnachforderungen für die Jahre bis einschließlich 2007 bereits verjährt. Da die Klägerin bis zum Beschluss des BAG und der anschließenden Entscheidung, mit der dessen Rückwirkung bestätigt worden sei, gutgläubig gewesen sei, komme eine 30-jährige Verjährungsfrist für eventuelle Beitragsrückstände nicht in Betracht. Die jetzt berechnete Beitragsnachforderung gehe auch hinsichtlich der Höhe eventueller Gehaltsnachforderungen von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Sie unterstelle, dass die tatsächlichen Entgelte der Stammmitarbeiter der Kunden pauschal um 24% höher gewesen seien als die tatsächlich gezahlten Löhne, die nach dem unwirksamen Tarifvertrag berechnet worden seien. Diese Erhöhung entspreche in keiner Weise dem tatsächlichen Lohnniveau der vergleichbaren Mitarbeiter der jeweiligen Kunden. Die Beklagte sei auch aus Rechtsgründen nicht berechtigt, diese Lohndifferenzen zu schätzen. Nach § 28 f Abs. 2 SGB IV sei eine solche Schätzung nur zulässig, wenn den Arbeitgeber eine entsprechende Aufzeichnungspflicht treffe. Diese bestehe bei einem wirksamen eigenen Tarifvertrag des Arbeitgebers nicht. Während der Zeiten, die Gegenstand des Beitragsbescheides seien, habe die Klägerin aber noch von einem wirksamen Tarifvertrag ausgehen können, so dass sie während dieser Zeiten nicht verpflichtet gewesen sei, die beim Kunden geltenden Löhne im Vertrag festzuhalten. Das SG Karlsruhe wies die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein.

Am 28.09.2021 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid (Teilabhilfe), um die Nachforderung für die verjährten Beiträge für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 zurückzunehmen. Hierdurch reduzierte sich die geforderte Nachforderung auf 495.449,83 EUR (einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 101.920,00 EUR). Nach einem gerichtlichen Hinweis gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis mit dem Inhalt ab, Beiträge für das Jahr 2007 nicht mehr zu erheben und auch auf die Säumniszuschläge vollumfänglich zu verzichten. Die Forderung verringerte sich damit auf insgesamt 267.176,53 EUR. Eine Annahme dieses Teilanerkenntnisses durch die Klägerin erfolgte nicht.

Die Berufung der Klägerin hat nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg – über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus, nach dem nunmehr keine Beiträge und Säumniszuschläge mehr für das Jahr 2007 geltend gemacht werden – keinen Erfolg.

Da die Beklagte am 22.02.2023 im Wege eines Teilanerkenntnisses von der Geltendmachung von Säumniszuschlägen sowie der Beitragserhebung für das Jahr 2007 Abstand genommen, die Klägerin dieses Anerkenntnis jedoch nicht angenommen hat, war hierüber im Wege des Teilanerkenntnisurteils zu entscheiden und der angefochtene Bescheid entsprechend teilweise aufzuheben. Im Übrigen ist der Beitragsbescheid vom 13.06.2013 in seiner jetzt durch den Änderungsbescheid bzw. das Teilanerkenntnis gefundenen Form rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Für den Erlass des die Beitragsfestsetzung regelnden Verwaltungsakts sei die Beklagte sachlich zuständig. Die Träger der Rentenversicherung prüften bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stünden, ordnungsgemäß erfüllten, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre, und erließen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe.

Dem Nachforderungsbescheid der Beklagten stünden nicht die vorangegangenen, im Rahmen von Betriebsprüfungen ergangenen Bescheide vom 10.12.2008 bzw. vom 20.02.2012 entgegen. Diese würden keine Bindungswirkung entfalten, die eine Aufhebung nach §§ 44 ff. SGB X erfordert hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ergebe sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit, als die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und -höhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden seien. Eine – wie hier im Wesentlichen – beanstandungsfrei verlaufene Betriebsprüfung vermittele hingegen keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung (vgl. BSG v. 18.11.2015 – B 12 R 7/14 R). Zudem habe die Beklagte in dem Bescheid vom 20.02.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Überprüfung der Beitragszahlung aus equal pay-Ansprüchen gesondert erfolgen werde.

Die Beklagte habe die Nachforderung nach entsprechender Anhörung der Klägerin zu Recht festgesetzt. Maßgebend für die Beitragsbemessung sei das den Arbeitnehmern nach dem Entstehungsprinzip arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsentgelt, auf das Arbeitgeber – und hier somit die Klägerin als Verleiherin im Rahmen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung – den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen habe. Der Beitragsbemessung liege in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen (...)



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