Heft 05/2023

Heft Mai 2023

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 05/23 - Inhalt

  • Wie Künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt verändert

  • Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven AGB-rechtliche Zulässigkeit der Erstattung einer Vermittlungsprovision durch den Arbeitnehmer nach einer Übernahme?!

  • Zeitarbeit in der Pflege: Einschränkungen könnten zum weitreichenden Pflexit führen

  • Lünendonk-Liste: Zeitarbeitsunternehmen setzen Wachstumskurs 2022 weiter fort

  • 16. ES-Unternehmerforum für Personaldienstleister Chancen erkennen und Potenziale ausschöpfen: Die Zukunft der Personaldienstleistung in Zeiten von Umbruch und Aufbruch

  • ChatGPT im Job nutzen? Das sagt das Arbeitsrecht

  • Hays Fachkräfte-Index Q1/2023: Fachkräftenachfrage zieht deutlich an

  • Orizon begrüßt Daniela Kühne als neue CEO

  • Das Erwerbspersonenpotenzial schrumpft bis 2060 um 11,7 Prozent

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven

AGB-rechtliche Zulässigkeit der Erstattung einer Vermittlungsprovision durch den Arbeitnehmer nach einer Übernahme?!

Wieder einmal beschäftigt die Zahlung einer Vermittlungsprovision die Gerichte. Dieses Mal geht es aber nicht um das Verhältnis von Personaldienstleister, der einen Kandidaten an den Kunden vermittelt hat, und Kunde, der dem Personaldienstleister eine Provision für die "Übernahme" des vermittelten Arbeitnehmers in ein Arbeitsverhältnis zahlt, sondern um das Verhältnis zwischen dem vermittelten Arbeitnehmer und dem Kunden, der mit dem Mitarbeiter ein Arbeitsverhältnis begründet hat. Dabei ging es um die Erstattung der an den Vermittler bereits gezahlten Provision durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber, nachdem das Arbeitsverhältnis durch den Mitarbeiter in der Probezeit gekündigt wurde. Das LAG Schleswig-Holstein hat einen Anspruch des (dann vormaligen) Arbeitgebers gegen den (ebenfalls vormaligen) Arbeitnehmer abgelehnt (Urt. v. 12.05.2022 – 4 Sa 3/22).

I. Zusammenfassung der Entscheidung

Der Arbeitnehmer hat mit Wirkung zum 01.05.2021 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten begründet. Für die Vermittlung des Klägers zahlte die Beklagte eine Vermittlungsprovision in Höhe von 4.461,60 EUR an den vermittelnden Personaldienstleister. In dem geschlossenen Arbeitsvertrag wurde eine sechsmonatige Probezeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen für beide Parteien vereinbart. Ergänzend wurde geregelt, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, der Beklagten die gezahlte Provision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbesteht und aus vom Kläger zu vertretenden Gründen von ihm selbst, von der Beklagten oder einvernehmlich beendet wird. Die Klausel lautet dabei wörtlich wie folgt:

"Die Arbeitgeberin leistet zur Vermittlung des/der Arbeitnehmers/in eine Vermittlungsprovision in Höhe von insgesamt € 6.695,40 an eine Drittfirma (C.-Co.) – aufgeteilt zu zwei Dritteln nach Abschluss des Arbeitsvertrages (€ 4.461,60) und zu einem Drittel nach Ablauf der Probezeit (€ 2.230,80). Bei dieser Zahlung handelt es sich um einen Vertrauensvorschuss der Arbeitgeberin auf die zu erwartende Betriebstreue des/der Arbeitnehmers/ in.

Der/die Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, der Arbeitgeberin die tatsächlich angefallenen Beträge zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbesteht und aus vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin zu vertretenden Gründen vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin selbst, der Arbeitgeberin oder im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.

Die Arbeitgeberin verpflichtet sich ihrerseits, die Zahlung der Vermittlungsprovision in diesem Fall nachzuweisen. Dem/der Arbeitnehmer/ in ist seinerseits/ihrerseits der Nachweis gestattet, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht oder nicht in der hier angegebenen Höhe bei der Arbeitgeberin entstanden sind.

Der Ausgleichsbetrag ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des/der Arbeitnehmers/in aus dem Arbeitsverhaltnis fallig und kann gegen pfandbare finanzielle Anspruche des/der Arbeitnehmers/ in aufgerechnet werden."

Das Arbeitsverhältnis wurde schließlich von dem Arbeitnehmer während der Probezeit zum 30.06.2021 gekündigt. Über die Gründe, die letztlich zur Kündigung führten, besteht zwischen den Parteien – wenig überraschend – Streit. Die Beklagte behielt auf Grundlage der getroffenen Regelungen im Arbeitsvertrag in der Folge wegen der von ihr an den Personaldienstleister gezahlten Provision 69,21 EUR von der restlichen Vergütung des Klägers sowie einen abgerechneten Verpflegungszuschuss in Höhe von 740,00 EUR ein.

Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung der ausstehenden Beträge in einer Gesamthöhe von 809,21 EUR. Die Beklagte hat ihrerseits eine Widerklage erhoben, mit der sie die Erstattung auch des restlichen Provisionsbetrags in Höhe 3.652,39 EUR gegenüber dem Arbeitnehmer geltend macht.

Das LAG Schleswig-Holstein hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt und deren Widerklage abgewiesen. Dabei hat das Gericht wie folgt argumentiert:

Die in dem Arbeitsvertrag vereinbarte Regelung über die Erstattung halte einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie sei daher unwirksam, denn sie benachteilige den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Unangemessen sei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werde. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setze eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedürfe es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit sei ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen seien die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle seien Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen.

Die Beklagte habe an eine Drittfirma aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dieser fur die Vermittlung des Klagers eine Provision gezahlt. Sie habe daher die Dienste einer Personalvermittlungsfirma in Anspruch genommen, um ihren Bedarf nach geeigneten Arbeitskraften zu befriedigen. Die Suche nach und die Gewinnung geeigneter Arbeitnehmer sei zunachst ureigene Aufgabe eines Arbeitgebers, wobei dieser sich selbstverstandlich dazu der Dienstleistungen Dritter bedienen konne. Fielen dabei aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung . wie hiesig . zwischen dem Arbeitgeber und der Drittfirma Vermittlungskosten an, bestehe ein nachvollziehbares Interesse daran, dass sich bei dem Arbeitgeber diese Vermittlungskosten amortisierten . und zwar in der Weise, dass der vermittelte Arbeitnehmer, fur den diese Kosten angefallen seien, jedenfalls dem Arbeitgeber mit seiner Dienstleistung fur einen bestimmten Zeitraum zur Verfugung stehe. Wenn ein solcher Arbeitgeber dann . wie die Beklagte . mit einem vermittelten Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen eine Erstattungspflicht fur den Fall der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses vereinbare, sei dies grundsatzlich Ausdruck des anerkennenswerten Interesses, die von ihm fur die Gewinnung des Arbeitnehmers getatigten Aufwendungen nicht infolge einer kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses wieder entwertet zu sehen. Der Klager habe dieses Interesse der Beklagten durch die Regelung in dem Arbeitsvertrag auch erkennen konnen und habe sich darauf bewusst eingelassen. Diese diente daher einem grundsatzlich billigenswerten Interesse des Arbeitgebers, dass sich die von ihm getatigten Aufwendungen zur Gewinnung des Klagers auch "amortisierten..

Solche Erstattungspflichten beeinträchtigten jedoch wiederum grundsätzlich das rechtlich anerkannte Interesse eines Arbeitnehmers, in seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht eingeschränkt zu werden. Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Erstattung solcher Aufwendungen verpflichteten, seien generell geeignet, ihn in seiner arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit zu beschneiden. Allerdings sei insoweit nicht jede Einschränkung der Berufswahlfreiheit unangemessen. Insoweit komme es auf begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers an oder auf gleichwertige Vorteile, die die Einschränkung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit ausglichen.

Anders als bei der Ubernahme von Umzugs- und Fortbildungskosten habe der Klager in der hier zu beurteilenden Konstellation uber das Erlangen des Arbeitsplatzes hinaus keinen zusatzlichen materiellen Wert erlangt, so dass sich . wie bei einer Fortbildung . sein "Marktwert. erhohe bzw. erhohen konne. Bei der Ubernahme von Umzugskosten entlaste der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wiederum zunachst von einer wirtschaftlichen Belastung, die eigentlich zur Sphare des Arbeitnehmers gehore. Beide Konstellationen seien nicht zu vergleichen mit der Verpflichtung eines Arbeitnehmers, im Fall der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses unter bestimmten Bedingungen die vom Arbeitgeber an eine Drittfirma gezahlten Vermittlungskosten zu ubernehmen. Uber die Erlangung eines Arbeitsplatzes hinaus sei damit kein zusatzlicher Wert fur den Arbeitnehmer oder eine Entlastung von ihn eigentlich treffenden wirtschaftlichen Belastungen verbunden. Es sei allein das Interesse des Arbeitgebers, geeignetes Personal durch die Einschaltung einer Personalvermittlung zu gewinnen. Insoweit beschranke sich der Vorteil des Arbeitnehmers auf den dann zur Verfugung gestellten Arbeitsplatz.

Diese Erwägungen führten dazu, dass die Klausel den Kläger (...)



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