Heft 03/2023

Heft März 2023

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 03/23 - Inhalt

  • Fachkräfteengpässe nehmen zu

  • Dr. Alexander Bissels, Dr. Michael Rein und Dr. Philipp Deuchler Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen bei unterlassenen Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers

  • Die I. K. Hofmann GmbH ist jetzt Teil des Weltverbandes der Arbeitnehmer (WEC)

  • BAP Job-Navigator 3/2023: "Digitales Arbeiten" - Jobs mit Option zur Arbeit im Home-Office sind seit 2020 um 597 Prozent angestiegen

  • Die Problematik der Arbeitnehmerüberlassung in der Pflege – VPKA sieht strukturelles Problem

  • Jahresbilanz 2022: Die Erwerbstätigen in Deutschland arbeiteten 61,10 Milliarden Stunden

  • Zeitarbeitende nicht zufrieden mit ihrer beruflichen Position - Faktenblatt beleuchtet Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit in der Zeitarbeit

  • Über ein Drittel der Kandidaten ghostet Unternehmen bei Bewerbung

  • Bundesarbeitsgericht:Fristlose Kündigung und Annahmeverzug

  • Zeitarbeit – Feuerwehr nicht nur für die Pflegebranche

  • Weniger als ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland waren 2021 Frauen

  • Erwerbstätigkeit im Januar 2023 weiter gestiegen

  • ManpowerGroup Arbeitsmarktbarometer für Q2/2023 Arbeitsmarkt bleibt trotz Rezessionssorgen stabil - Fachkräftemangel erreicht 17-Jahres-Hoch

  • Fachkräftegewinnung aus Drittstaaten mit Hilfe der Zeitarbeit:
    § 40 Aufenthaltsgesetz jetzt streichen!

  • IAB-Stellenerhebung für das vierte Quartal 2022: Offene Stellen erreichen mit 1,98 Millionen ein neues Allzeithoch

  • Bundesfinanzhof. Veräußerungsgewinne bei Kryptowährungen steuerpflichtig

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels, Dr. Michael Rein und Dr. Philipp Deuchler

Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen bei unterlassenen Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers

In zwei Grundsatzentscheidungen hat das BAG am 20.12.2022 das nationale Urlaubsrecht weiter den europäischen Vorgaben angepasst. Die Praxisrelevanz ist enorm.

Das Urlaubsrecht ist einer der Bereiche des Arbeitsrechts, die in den letzten Jahren den größten Veränderungen unterworfen waren. Maßgeblich beruhte dies auf Urteilen des EuGH. Mit seiner Entscheidung im Jahr 2018 legte der EuGH die Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) dahingehend aus, dass Arbeitgeber u.a. verpflichtet sind, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass ihre Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sind, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Sie haben Arbeitnehmer dazu aufzufordern – erforderlichenfalls förmlich –, dies zu tun, und ihnen klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub, wenn sie ihn nicht nehmen, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird (sog. Mitwirkungsobliegenheit). Damit hat der EuGH dem deutschen Urlaubsrecht eine neue Prägung hinzugefügt.

Insbesondere die gesetzlichen Regelungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen müssen seitdem im Lichte dieser Rechtsprechung unionsrechtskonform interpretiert werden. Nach der Judikatur des BAG können in einem Kalenderjahr entstandene Urlaubsansprüche daher nach Maßgabe des § 7 Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur verfallen, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat. Hierzu muss er den Arbeitnehmer i.S.d. EuGH unterrichten und ihn damit in die Lage versetzen, seinen Urlaubsanspruch zu nehmen. Nimmt der Arbeitnehmer dann seinen Urlaub gleichwohl nicht, kann der Urlaub weiterhin verfallen (vgl. BAG v. 07.07.2020 – 9 AZR 401/19 A). Wichtig ist dabei, dass diese Rechtsprechung grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt. Für tarif- oder individualvertraglichen Zusatzurlaub sind abweichende Regelungen (auch zum Verfall) weiterhin möglich; für Personaldienstleister ist jedoch zu beachten, dass für den Zeitarbeitnehmer in einem Arbeitsvertrag vereinbarte nachteilige Abweichungen von den tariflichen Urlaubsregelungen zur Folge haben, dass der Gleichstellungsgrundsatz nicht wirksam abbedungen worden ist. In diesem Zusammenhang ist also besondere Vorsicht und Augenmaß geboten. Die folgenden Erläuterungen gelten vor diesem Hintergrund in erster Linie für den gesetzlichen Mindesturlaub.

I. Verfall von Urlaub bei Arbeitsunfähigkeit und unterbliebener Mitwirkungsobliegenheit

Besonderheiten gelten dabei, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, seinen Urlaub im Urlaubsjahr oder innerhalb des gesetzlichen Übertragungszeitraums bis zum 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG) zu nehmen. Für diese Fälle hat das BAG entschieden, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch eines seit Beginn oder im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt (vgl. BAG v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10). 

Bislang war allerdings ungeklärt, ob und inwieweit diese Rechtsprechung auch Anwendung finden kann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist. Denn – wie dargestellt – verfallen Urlaubsansprüche im Grundsatz nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. 

Für Fälle, in denen der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig krank war und deshalb – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hat – überhaupt keinen Urlaub nehmen konnte, bleibt es nach dem BAG (richtigerweise) dabei, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Das BAG begründet dies damit, dass in diesem Fall nicht die Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs ursächlich ist (vgl. BAG v. 07.07.2020 – 9 AZR 401/19 A).

Offen war aber noch, wie es sich verhält, wenn der betreffende Arbeitnehmer in dem Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor es ihm gesundheitsbedingt, z.B. infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung, unmöglich wurde, seinen Urlaub zu nehmen, und der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist.

II. BAG: Verfall des Urlaubsanspruchs bei tatsächlicher Arbeitsleistung im Urlaubsjahr nur bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber

In einem seit dem Jahr 2019 vor dem BAG anhängigen Verfahren machte der Kläger, der vom 01.12.2014 bis mindestens August 2019 wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten und deshalb auch seinen Urlaub nicht nehmen konnte, geltend, ihm stehe noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zu. Dieser sei nicht verfallen, weil die beklagte Arbeitgeberin ihren Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei.

Das BAG setzte das Verfahren aus und legte die Rechtsfrage dem EuGH im Jahr 2020 vor. Im September 2022 beantwortete der EuGH die Vorlagefrage dahingehend, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer in dem betreffenden Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wurde, und der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist (vgl. EuGH v. 22.09.2022 – C-518/20, C-727/20).

Das BAG entschied nunmehr in Umsetzung des Urteils des EuGH, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG regelmäßig voraussetze, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt habe, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (BAG v. 20.12.2022 – 9 AZR 245/19). Der für das Jahr 2014 noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Klägers sei nicht allein deshalb mit Ablauf des 31.03.2016 erloschen, weil der Kläger nach Eintritt seiner vollen Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, seinen Urlaub anzutreten. Der Resturlaub sei ihm für dieses Jahr vielmehr erhalten geblieben, weil der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten bis zum 01.12.2014 nicht nachgekommen sei, obwohl ihm dies möglich gewesen sei.

III. Außerdem: Parallelentscheidung zur Verjährung von Urlaubsansprüchen

Neben der Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen aus Jahren, in denen der Arbeitnehmer vor Eintritt einer vollen Erwerbsminderung oder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gearbeitet hat, hat sich das BAG in einer Parallelentscheidung am gleichen Tag außerdem mit der Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen befasst, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist.

In diesem Fall machte eine Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Arbeitgeber nach Beendigung des mit diesem bestehenden Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus vergangenen Jahren im Umfang von insgesamt 101 Arbeitstagen geltend. Der Arbeitgeber, der für diese Jahre seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen war, berief sich auf die Verjährung dieser Urlaubsansprüche, so dass diese nach seiner Auffassung auch nicht abzugelten sind. Während die Klage der Arbeitnehmerin erstinstanzlich keinen Erfolg hatte, sah das in zweiter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste LAG Düsseldorf die Forderung der Arbeitnehmerin in einem Umfang von 76 abzugeltenden Arbeitstagen als begründet an und erachtete dabei die vonseiten des Arbeitgebers erhobene Einrede der Verjährung für nicht durchgreifend.

Der Arbeitgeber legte gegen das Urteil Revision beim BAG ein. Dieses wendete sich auch bzgl. der Frage nach der Verjährung von Urlaubsansprüchen für den Fall, dass der Arbeitgeber seinen

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