Dr.
Alexander Bissels und Kira Falter
TV
LeiZ: Ausschluss des Übernahmeanspruchs des Zeitarbeitnehmers
Mit Wirkung zum 01.04.2017 ist die AÜG-Reform mit dem Ziel in
Kraft getreten, die Zeitarbeit auf "ihre Kernfunktion zu
orientieren" (vgl. BT-Drucksache 18/9232, 2), indem diese
(wieder) gesetzlich strenger reguliert wird. Der Gesetzgeber hat
dabei u.a. eine Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18
Monaten vorgesehen, von der in Tarifverträgen der Einsatzbranche
oder darauf aufsetzenden Betriebsvereinbarungen abgewichen werden
kann (vgl. § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG; dazu auch: Bissels/Falter,
ArbR 2018, 4 ff.). Vor dem Hintergrund dieser
Deregulierungsmöglichkeit kommt den in der M+E-Industrie
geltenden Tarifverträgen zur Leih-/Zeitarbeit (TV LeiZ) nunmehr
eine besondere Bedeutung zu. Wurden diese ab dem Jahr 2012
zunächst vereinbart, um die Zeitarbeit – zu Lasten der
M+EUnternehmen und damit mittelbar auch der Personaldienstleister
– tariflich zu beschränken, u.a. durch die grundsätzliche
Pflicht des M+E-Kunden, einem überlassenen Arbeitnehmer nach
einem Einsatz von 24 Monaten ein Angebot auf Abschluss eines
unbefristeten Arbeitsvertrags zu unterbreiten (es sei denn, es
gilt für den betreffenden Betrieb eine Betriebsvereinbarung zur
Zeitarbeit, vgl. Ziff. 3, 4 TV LeiZ), können diese Tarifverträge
nun genutzt werden, um zugunsten der M+EUnternehmen von der
gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nach oben
abzuweichen. Inzwischen gelten in allen Tarifbezirken neu
vereinbarte Tarifverträge, die eine Überlassungshöchstdauer von
bis zu 48 Monaten zulassen (s. dazu: Ziff. 2.3 TV LeiZ
Nordrhein-Westfalen vom 02.02./22.05.2017). Der TV LeiZ stellt
damit ein Regulierungs- und gleichzeitig ein
Flexibilisierungsinstrumentarium dar, um den Einsatz von
Zeitarbeit in den betreffenden Kundenbetrieben maßgeschneidert
steuern zu können. Dazu sind im TV LeiZ Öffnungsklauseln
zugunsten von Betriebsvereinbarungen vorgesehen. Brisant ist
insoweit, dass sich nach der gesetzlichen Konstruktion auch
nicht-tarifgebundene Kundenunternehmen der M+E-Industrie über
entsprechende Betriebsvereinbarungen die verlängerte
Überlassungshöchstdauer nach dem TV LeiZ nutzbar machen können
– und zwar nicht gedeckelt auf 24 Monate, da der TV LeiZ selbst
eine eigene Überlassungshöchstdauer von bis zu 48 Monaten
zulässt (vgl. § 1 Abs. 1b S. 6 AÜG).
Vor dem Hintergrund des erheblichen Bedeutungszuwachses
entsprechender Tarifverträge ab dem 01.04.2017 sind gerichtliche
Entscheidungen zu deren Auslegung interessant, selbst wenn diese
– wie das nachfolgend besprochene Urteil des LAG
Baden-Württemberg vom 08.11.2017 (Az. 19 Sa 42/17; dazu: Bissels/Falter,
jurisPR- ArbR 24/2018 Anm. 3) – noch zum TV LeiZ a.F. ergangen
sind.
I. Inhalt der Entscheidung
Folgender Sachverhalt wurde dabei festgestellt:
Der klagende Zeitarbeitnehmer wurde im Wege der
Arbeitnehmerüberlassung bei dem beklagten Unternehmen der
Automobilindustrie in der Werksicherheit als Werkfeuerwehrmann in
der Zeit vom 16.01.2013 bis zum 31.07.2016 eingesetzt. Aufgrund
einer beidseitigen Tarifbindung kommt der TV LeiZ Baden-
Württemberg vom 19.05.2012 zur Anwendung.
Bei der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2013
(BV 2013) zur Festlegung der weiteren Vorgehensweise in Bezug auf (...)
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