Dr.
Alexander Bissels
Erste Entscheidung des BAG
zum TV BZ ME a.F.
Seit dem Jahr 2012 haben die Arbeitgeberverbände der
Zeitarbeit (BAP und iGZ) mit einzelnen DGB-Gewerkschaften
zahlreiche sog. Branchenzuschlagstarifverträge abgeschlossen, die
bei sich erhöhender Überlassungsdauer des Zeitarbeitnehmers im
Kundenbetrieb eine Angleichung der dem eingesetzten Mitarbeiter
gewährten Vergütung an das Entgelt eines vergleichbaren
Stammbeschäftigten vorsehen (dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 21/2015
Anm. 5). Die Branchenzuschlagstarifverträge dienen folglich der
Herstellung von equal pay bzw. einer Angleichung an diesen
Grundsatz (eine Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung bei:
Bissels/Mehnert, DB 2014, 2407 ff.).
Insbesondere der Tarifvertrag über Branchenzuschläge für
Arbeitnehmerüberlassungen in der Metall- und Elektroindustrie vom
22.05.2012 (nachfolgend: "TV BZ ME") war in der
Vergangenheit streitbefangen. Dies betraf u.a. auch die Auslegung
des fachlichen Geltungsbereichs dieses Tarifvertrags –
insbesondere die Abgrenzung von Haupt- zu Hilfs-/Nebenbetrieb. Am
22.02.2017 hat sich das BAG erstmals mit den tariflichen
Branchenzuschlägen im Allgemeinen und mit der o.g. Frage im
Speziellen befassen müssen, die für die Praxis vor allem, aber
nicht nur in der Automobilindustrie und für dort erbrachte
Logistikdienstleistungen von Relevanz ist (Az. 5 AZR 453/15; vgl.
auch: 5 AZR 252/16, 5 AZR 253/16, 5 AZR 552/14, 5 AZR 553/14, 5
AZR 554/14, 5 AZR 555/14).
I. Entscheidung des BAG
Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:
Der TV BZ ME ist aufgrund der beidseitigen Tarifbindung des auf
die Zahlung eines Branchenzuschlags nach dem TV BZ ME klagenden
Zeitarbeitnehmers und des Personaldienstleisters anwendbar.
Der Kläger ist seit dem 01.11.2012 bei der B eingesetzt, einem
Logistikdienstleister, der in seinem Logistikzentrum
ausschließlich Ein- und Auslagerungsvorgänge im Lager, das
Leerguthandling und die Produktionsversorgung für die A
abwickelt, die ihrerseits Frontscheinwerfer für Pkw herstellt.
Der Kläger ist der Ansicht, die B sei ein Kundenbetrieb der
Metall- und Elektroindustrie. Hierfür genüge, dass dieser
Dienstleistungen für einen Betrieb der Automobilindustrie (hier:
A) erbringe. Die Beklagte meint hingegen, die B unterhalte einen
Logistikbetrieb. Sie sei auch kein Hilfs- oder Nebenbetrieb i.S.d.
TV BZ ME; es fehle insoweit an der Identität mit der Inhaberin
des Hauptbetriebs (hier: A).
Nachdem der Zeitarbeitnehmer in beiden Instanzen unterlegen war,
führte die Revision zur Aufhebung der klageabweisenden
Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Thür. LAG. Der
Kläger habe nach § 2 Abs. 1 bis 3 TV BZ ME nach der 6.
vollendeten Woche des Einsatzes bei der B für die weitere Dauer
der ununterbrochenen Überlassung an diese einen Anspruch auf
einen Branchenzuschlag. Deren Betrieb werde vom fachlichen
Geltungsbereich des TV BZ ME erfasst.
Nach § 1 Nr. 2 S. 1 TV BZ ME gelte dieser fachlich u.a. für
Mitgliedsunternehmen des iGZ, die – wie die Beklagte – im
Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigte in einen
Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie einsetzten, wobei
nach § 1 Nr. 2 S. 2 TV BZ ME die dort genannten Betriebe als
Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie zu qualifizieren
seien.
Nach dem Katalog des § 1 Nr. 2 S. 2 Halbs. 1 TV BZ ME gölten als
Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie u.a. Betriebe des
Wirtschaftszweigs "Automobilindustrie" und
"Fahrzeugbau", soweit sie – wie vorliegend – nicht
dem Handwerk zuzuordnen seien. Betriebe des Wirtschaftszweigs
"Automobilindustrie" und "Fahrzeugbau" seien
neben denjenigen der Automobil und Fahrzeughersteller im engeren
Sinne alle Betriebe, deren überwiegende Tätigkeit als Glied
einer Produktionskette unmittelbar auf die Fertigung eines
Automobils oder eines sonstigen Fahrzeugs sowie seiner
Bestandteile gerichtet sei (dazu ausführlich: BAG v. 22.02.2017 -
5 AZR 552/14). Ein solcher Betrieb sei derjenige der B nicht.
Seine ausschließlichen Tätigkeiten seien solche in dem Bereich
Logistik. Diese unterstützten zwar die Produktion von
Automobilen, seien aber nicht unmittelbar in die Fertigungskette (...)
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