Dr.
Alexander Bissels
Anspruch des
Zeitarbeitnehmers auf Erstattung von Fahrtkosten?
Wesenstypisch für die Tätigkeit eines Zeitarbeitnehmers ist,
dass dieser an zahlreiche Kunden des Personaldienstleisters mit
unterschiedlichen Arbeitsorten überlassen wird. Führt diese
"Einsatzwechseltätigkeit" dazu, dass der
Zeitarbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf
Erstattung der Fahrtkosten zu den unterschiedlichen Einsatzorten
hat? Diese Frage ist höchstrichterlich bislang nicht
abschließend geklärt. Die Instanzrechtsprechung ist
uneinheitlich. Jüngst hat das LAG Hamm mit der überwiegenden
Ansicht einen Anspruch des Zeitarbeitnehmers gem. § 670 BGB
analog bejaht (Urt. v. 13.01.2016 - 5 Sa 1437/15).
Entscheidung des LAG Hamm
Die Parteien haben arbeitsvertraglich das iGZ/DGB-Tarifwerk in
Bezug genommen. Zudem haben diese vereinbart, dass Aufwendungen
für die tägliche Fahrt zwischen Wohnung und dem Einsatzort bzw.
zwischen der Betriebsstätte des Arbeitgebers und dem Einsatzort
durch die Vergütung abgegolten sind.
Das LAG Hamm hat die Berufung des Zeitarbeitsunternehmens gegen
das klagestattgebende Urteil des ArbG Dortmund zurückgewiesen.
Der Kläger habe gem. § 670 BGB einen Anspruch auf Erstattung der
Fahrtkosten für die Anfahrt zu den wechselnden Arbeitsstätten
abzüglich der vom Wohnort des Klägers zum Betriebssitz der
Beklagten entstehenden Kosten. § 670 BGB könne auf
Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden (vgl. BAG v.
12.03.2013 - 9 AZR 455/11; BAG v. 12.04.2011 - 9 AZR 14/10; BAG v.
20.09. 2011 - 9 AZR 344/10). Gegen den Anspruch könne nicht
vorgebracht werden, dass die Verpflichtung, auch an anderen Orten
als an dem Betriebssitz des Arbeitgebers eingesetzt zu werden, zu
den Arbeitspflichten im Zeitarbeitsverhältnis gehöre; dieser
Umstand sage für sich genommen noch nichts über die Pflicht zur
Kostentragung aus. Auch die Entscheidung des BAG v. 16.10.2007 (Az.
9 AZR 170/07) stehe einer Anwendung von § 670 BGB nicht entgegen:
der 9. Senat habe einen Erstattungsanspruch mit Blick auf die von
einem Lkw-Fahrer geltend gemachte Übernahme der Kosten für eine
Fahrerkarte vereint, da bei typisierender Betrachtung nicht habe
festgestellt werden können, dass das Interesse des Arbeitgebers
so weit überwiege, dass dieser allein die Kosten tragen solle.
Die dortigen Erwägungen könnten auf die Erstattung von
Fahrtkosten für Zeitarbeitnehmer zu wechselnden, auswärtigen
Arbeitsstellen nicht übertragen werden. Für die Erfüllung der
Arbeitspflicht sei es zwar erforderlich, dass der Mitarbeiter
bereit sei, an wechselnden Arbeitsstellen eingesetzt zu werden.
Nicht notwendig sei aber die Anreise auf eigene Kosten. Diese
könnte ebenso durch eine vom Arbeitgeber gestellte
Beförderungsmöglichkeit vom Betriebssitz erfüllt werden. Anders
als in dem vom BAG entschiedenen Fall liege daher eine ganz
überwiegendes, wenn auch nicht ausschließliches Interesse des
Arbeitgebers vor, dessen Geschäftsmodell eine zeitlich und
räumlich flexible Einsetzbarkeit seiner Arbeitnehmer geradezu
voraussetze. Die hierdurch entstehenden und im Vergleich zu einem
"Normalarbeitsverhältnis" zusätzlich anfallenden
Kosten fielen daher auch in seinem betrieblichen Interesse an.
Die Fahrtkosten seien nicht durch den an den Kläger gezahlten
Lohn ausgeglichen. Dieser erhalte einen tariflichen Stundenlohn.
Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien die
durchschnittlich anfallenden Fahrtkosten eines Zeitarbeitnehmers
in diesen quasi "eingearbeitet" hätten, sei nicht
ersichtlich. Die Protokollnotiz Nr. 3 zum ERTV iGZ/DGB v.
17.09.2013, nach der ein Regelwerk zu Fahrt- und Reisekosten zu
einem späteren Zeitpunkt gemeinsam erstellt werden solle, spreche
vielmehr dafür, dass eine Berücksichtigung der Fahrkosten in dem
Tariflohn nicht erfolgen solle. Einer solchen Regelung hätte es
nämlich ansonsten nicht bedurft.
Der Kläger werde auch nicht gegenüber einem Arbeitnehmer, der
bei einem Arbeitgeber mit festem Arbeitsort eingesetzt, aber auf
Grundlage einer entsprechenden Klausel versetzt werde, bevorzugt.
Dessen Arbeitsort könne nur im Rahmen des Direktionsrechts gem.
§§ 106 GewO, 315 BGB nach billigem Ermessens angepasst werden;
dabei wäre u.a. die Frage von entstehenden Fahrtzeiten und
-kosten zu berücksichtigen (BAG v. 17.08.2011 - 10 AZR 202/10).
Darüber hinaus eröffne eine solche Versetzungsklausel nicht die
Möglichkeit einer ständigen Versetzbarkeit, sondern führe zu
einem dauerhaften Einsatz an (...)
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