Dr.
Alexander Bissels
TV BZ ME: Anwendung des
Tarifvertrages auf Hilfs- und Nebenbetriebe zu einem Hauptbetrieb
Die in der Zeitarbeitsbranche geltenden tariflichen
Branchenzuschläge sollen in Abhängigkeit zur Einsatzdauer – je
nach Branche in unterschiedlicher Höhe und nach unterschiedlichen
Zeiträumen des Einsatzes in dem betreffenden Betrieb – eine
gestaffelte Annäherung der dem Zeitarbeitnehmer gewährten
Vergütung an das Entgelt des Stammmitarbeiters gewährleisten.
Mit diesen sind die Tarifparteien der Zeitarbeit der politischen
Forderung nach einer Angleichung der Gehälter der überlassenen
Arbeitnehmer an das Entgelt der in den Kundenbetrieben tätigen
Stammbeschäftigten nachgekommen. Diese sind arbeitsrechtlich
höchst komplexe "Gebilde" und – wie eine aktuelle
Entscheidung des Thür. LAG zeigt – entsprechend
streitanfällig.
In den Jahren 2012 bis 2014 wurden zwischen dem BAP sowie iGZ und
jeweils einer DGB-Gewerkschaft bereits zahlreiche Tarifverträge
über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen
abgeschlossen:
- Metall- und Elektroindustrie v. 22.05.2012 mit IG Metall (TV BZ
ME),
- Chemie v. 19.06.2012 mit IG BCE (TV BZ Chemie),
- Kunststoff v. 03.08.2012 mit IG BCE (TV BZ Kunststoff),
- Kautschuk v. 03.08.2012 mit IG BCE (TV BZ Kautschuk),
- Textil- und Bekleidungsindustrie v. 25.10.2012 mit IG Metall (TV
BZ TB),
- Holz- und Kunststoff verarbeitende Industrie v. 25.10.2012 mit
IG Metall (TV BZ HK),
- Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie v.
14.12.2012 mit ver.di (TV BZ PPK),
- Druckindustrie v. 21.03.2013 mit IG Metall (TV BZ Druck -
gewerblich),
- Schienenverkehr v. 09.08.2013 mit EVG (TV BZ Eisenbahn),
- Kali- und Steinsalzbergbau v. 14.05.2014 mit IG BCE (TV BZ
KS),
- Papiererzeugung v. 14.05.2014 mit IG BCE (TV BZ PE –
gewerblich).
Gerade die Regelungen des für die Praxis wesentlichen TV BZ ME
waren in der Vergangenheit schon Gegenstand zahlreicher
gerichtlicher Auseinandersetzungen (vgl. dazu den Überblick:
Bissels/Mehnert, DB 2014, 2407). Das Thür. LAG hat sich jüngst
mit der Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs des TV BZ ME
befassen müssen (Urt. v. 22.04.2015 - 4 Sa 87/14).
I. Verhältnis von Haupt- zu Hilfs- und Nebenbetrieb
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.11.2012 als
Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden
kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge iGZ/DGB
Anwendung. Der Kläger wird seit dem Beginn des
Arbeitsverhältnisses bei der X-GmbH, einem Logistikdienstleister,
in deren Logistikzentrum in Y eingesetzt. Dort betreibt die X-GmbH
ausschließlich die Abwicklung von Ein- und Auslagerungsvorgängen
im Lager und der Produktionsversorgung für die Z-GmbH, deren
Betrieb (Betriebszweck: Automobilindustrie/ Fahrzeugbau) sich in
ca. 1 Kilometer Entfernung vom Betrieb der X-GmbH befindet. Im
Betrieb der X-GmbH kommt ein mit der IG Metall abgeschlossener
Entgelttarifvertrag zur Anwendung.
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stünden
Branchenzuschläge nach dem TV BZ ME für die Monate Mai 2013 bis
September 2013 in Höhe von insgesamt 1.118,53 € brutto zu. Der
TV BZ ME sei einschlägig, da er in einem Kundenbetrieb der
Metall- und Elektroindustrie eingesetzt werde. Hierunter falle
nach § 1 Ziff. 2 TV BZ ME die Automobilindustrie und der
Fahrzeugbau „sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen
gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und
sonstigen Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen sowie
die Betriebe artverwandter Industrien“. Die X-GmbH sei ein Teil
der Z-GmbH GmbH, da diese ohne Lager nicht produzieren könne.
Zumindest handele es sich um einen Dienstleistungsbetrieb für die
Automobilindustrie und den Fahrzeugbau.
Die Beklagte meint hingegen, der TV BZ ME erfasse das
Arbeitsverhältnis des Klägers nicht, da es sich bei der X-GmbH
um einen reinen Logistikdienstleister handele. § 1 TV BZ ME sei
nur anwendbar, wenn es sich bei dem Dienstleisterbetrieb um (...)
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