Heft 08/2015

Heft August 2015

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 15/08 - Inhalt

  • Bewerber überzeugen

  • Dr. Alexander Bissels "Fallschirm" trägt (auch) bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung zunächst weiter!

  • Eignungstests der degeba erleichtern die Personalauswahl

  • Landwehr Software baut Kindertagesstätte und Seminarzentrum in Wietmarschen-Lohne

  • BERA erhält erneut Gütesiegel der Evangelischen Kirche in Deutschland Ausgezeichnete Werteorientierung

  • Arbeitnehmer blicken zuversichtlicher in berufliche Zukunft

  • Führungskräfte für Personaldienstleister - BAP und DAA starten zweiten Kurs zum "Geprüften Personaldienstleistungsfachwirt"

  • Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung?

  • Technicum setzt auf erfahrene Arbeitnehmer Arbeitnehmer 50plus im Fokus

  • Dr. Robert Bauer Rechtswidrigkeit der VBG-Beitragszuschläge

  • Statistisches Bundesamt Normalarbeitsverhältnisse nehmen an Bedeutung zu

  • Gestärkt für die Zukunft – GEDAT erweitert Geschäftsführung

  • Nahles plant Öffnung der Höchstüberlassungsdauer

  • JOB AG zählt zu den beliebtesten Arbeitgebern

  • 20 Jahre im Dienst der Arbeitnehmer, der Unternehmen und der Gesellschaft Wo GeAT AG drauf steht, ist Thüringen drin - und das seit 20 Jahren

  • Studie zum Fachkräftemangel: Jedes dritte Unternehmen ohne Gegenkonzept

  • Adecco Stellenindex 07/2015: Positiver Trend bei Stellenangeboten in der Industrie

  • Leichtes Umsatzminus von -0,2 Prozent für die österreichische Zeitarbeitsbranche im Jahr 2014

  • Landwehr gratuliert MOVADO zum zwanzigjährigen Jubiläum und bedankt sich für 10 Jahre erfolgreicher Zusammenarbeit

  • LÜNENDONK®-LISTE 2015 "Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen in Deutschland" Unternehmen erwarten 2015 ein Marktwachstum von 2,7 Prozent

  • iGZ-Engagement trägt Früchte Weniger Unfälle in der Zeitarbeit

  • Rente mit 63: Ein Viertel der Betriebe versucht die Mitarbeiter zu halten

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels

"Fallschirm" trägt (auch) bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung zunächst weiter!

Sollten die auf Grundlage eines an sich vereinbarten Dienst-/ Werkvertrags erbrachten Leistungen im Nachhinein als eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren sein, kann der eingesetzte Arbeitnehmer nach herrschender Auffassung nicht geltend machen, dass ein Arbeitsverhältnis zu dem Kunden fingiert worden ist (§ 10 Abs. 1 AÜG), wenn das de facto überlassende Unternehmen über eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG verfügt (sog. Fallschirmlösung). Im Dezember 2014 lehnte die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg diese Ansicht – etwas überraschend – ab und nahm – unter Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben – an, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem eingesetzten Arbeitnehmer und dem Kunden zu Stande gekommen sei (Urt. v. 03.12.2014 - 4 Sa 41/14); die 3. Kammer hingegen folgte wenige Tage später der herrschenden Auffassung: auch in Fällen der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung trägt der Fallschirm einer (vorsorglich) eingeholten Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG (Urt. v. 18.12.2014 - 3 Sa 33/14).

3. Kammer bestätigt Rechtsprechung zur Vorratserlaubnis

Diese Ansicht hat die 3. Kammer in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung erneut bestätigt (Urt. v. 09.04.2015 - 3 Sa 53/14). In den dortigen Leitsätzen heißt es recht deutlich: 

"Die vom Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 10. Dezember 2013 (9 AZR 51/13) und 3. Juni 2014 (9 AZR 111/13) zur nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung aufgestellten Grundsätze sind auf die Fälle verdeckter Arbeitnehmerüberlassung übertragbar (so bereits LAG Baden- Württemberg 18. Dezember 2014 - 3 Sa 33/14). Nach derzeitiger Rechtslage kann auch bei verdeckt praktizierter Arbeitnehmerüberlassung das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher, der im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist, und dem verdeckt überlassenen Leiharbeitnehmer weder in direkter oder analoger Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG noch über die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) – gleich in welcher Ausprägung – angenommen werden (entgegen LAG Baden-Württemberg 3. Dezember 2014 - 4 Sa 41/14)." 

In der Entscheidung setzt sich die 3. Kammer umfänglich mit den Erwägungen der 4. Kammer auseinander und lehnt diese im Ergebnis zu Recht ab. Das Gericht verweist zunächst auf dessen Urteil vom 18.12.2014 (Az. 3 Sa 33/14) und führt aus, dass die 3. Kammer dort bereits erörtert habe, dass sie die Argumentation von Brose (DB 2014, 1739) zur Rechtsnatur der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für nicht zutreffend erachte, da auch eine sog. Vorratserlaubnis zunächst Legalisierungswirkung entfalte und der über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügende Werkunternehmer, der als Verleiher auftrete, sich der vom AÜG bezweckten Seriositätskontrolle gerade nicht entzogen habe. Vor diesem Hintergrund bestehe keine Veranlassung, diesen als prinzipiell unzuverlässig anzusehen. An dieser Auffassung hält die 3. Kammer ausdrücklich fest. 

Ein Arbeitsverhältnis lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines eventuellen treuwidrigen widersprüchlichen Verhaltens des verklagten Kundenunternehmens und der Arbeitgeberinnen des Klägers bzw. eines individuellen Rechtsmissbrauchs begründen. Liege der Rechtsmissbrauch in der Vereitelung von Rechten der Gegenpartei, werde dieser eine Rechtsstellung zuerkannt, als ob das Verhalten nicht ausgeübt worden wäre. Was dies im konkreten Fall bedeute, entscheide sich nach dem Schutzzweck des Gesetzes und der Frage, ob der Missbrauch der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen Begründung eines Vertragsverhältnisses oder lediglich der Verkürzung einzelner Ansprüche diene. Durch das Vortäuschen eines Werkvertrags und somit der Verschleierung der tatsächlich vorliegenden verdeckten Arbeitnehmerüberlassung würden dem betroffenen Mitarbeiter seine Rechte nach dem AÜG, insbesondere auf equal pay gem. § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG versagt. Nach Treu und Glauben müsse er daher vertraglich und wirtschaftlich (nur) so gestellt werden, als hätte er von vornherein seine Rechte als Zeitarbeitnehmer wahrnehmen können. Dem verdeckt überlassenen Beschäftigten dürften demzufolge nicht diejenigen Rechte vorenthalten werden, die ihm zugestanden hätten, wäre er offen als Zeitarbeitnehmer mit Überlassungserlaubnis eingesetzt worden. Dies betreffe vor allem die in den §§ 11, 10 Abs. 4 S. 1, 13, 13 a, 13 b AÜG geregelten Rechte und Ansprüche des Zeitarbeitnehmers, nicht jedoch ein Arbeitsverhältnis mit dem Kundenunternehmen. Deshalb könne der Kunde trotz des rechtsmissbräuchlichen Vorverhaltens die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis heranziehen (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 18.12.2014 - 3 Sa 33/14; ArbG Stuttgart v. 08.04.2014 - 16 BV 121/13; Seier, BB 2015, 498).

Die von der 4. Kammer im Urteil vom 03.12.2014 (Az. 4 Sa 41/14) vertretene Rechtsauffassung, nach der sich die Vertragspartner angeblicher Werkverträge, die realiter als verschleierte Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren seien, wegen eines widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürften, so dass sich der Arbeitsvertrag zwischen dem "Vertragsarbeitgeber" und dem Kläger gem. § 9 Nr. 1 AÜG als unwirksam darstelle mit der Folge, dass gem. § 10 Abs. 1 S. 1 1 AÜG die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Kunden fingiert werde, sei zudem aus grundrechtlichen Erwägungen nicht überzeugend. Denn dem betroffenen Mitarbeiter würde möglicherweise auch gegen seinen Willen sein von ihm frei gewählter Arbeitgeber genommen und deshalb gegen einen anderen ausgetauscht, weil sein frei gewählter Arbeitgeber und dessen Vertragspartner sich treuwidrig verhalten hätten. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle der Arbeitnehmerüberlassung der Verleiher generell der „schlechtere“ oder „unseriösere“ Arbeitgeber sei. Diesbezüglich habe das BAG bereits in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Az. 9 AZR 51/13) zutreffend ausgeführt:

„Es ist eine Vielzahl von Konstellationen denkbar, in denen Leiharbeitnehmer trotz eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG an ihrem Arbeitsverhältnis zum Verleiher festhalten und kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher eingehen wollen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn nur im Betrieb des Verleihers gem. § 23 Abs. 1 KSchG die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung finden, dort eine ordentliche Kündigung kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, beim Verleiher die Arbeitsbedingungen für den Leiharbeitnehmer besser sind als beim Entleiher oder sich das Unternehmen des Entleihers in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Der Entzug des vom Leiharbeitnehmer gewählten Arbeitgebers durch Gesetz stellt einen Eingriff in seine durch Art. 12 GG geschützte Rechtsposition dar. Die Freiheit, ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder dies zu unterlassen, ist Ausdruck der durch Art. 12 GG geschützten Vertragsfreiheit. In diese wird eingegriffen, wenn ohne die zu einem Vertragsschluss erforderlichen beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen oder gar gegen den Willen einer oder auch beider Parteien kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll.“

Gerade der hiesige Fall zeige – so das Gericht – die Problematik anschaulich auf: Unter Zugrundelegung der von der 4. Kammer vertretenen Rechtsauffassung könne sich der letzte "formale" Arbeitgeber, der den klagenden Arbeitnehmer nach dem Abzug bei dem beklagten Kunden derzeit anderweitig einsetze, unter Verweis auf das von diesem und dem Kunden – zugunsten des Zeitarbeitnehmers unterstellt – treuwidrige Verhalten und dessen Rechtsfolge (Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG) weigern, den Zeitarbeitnehmer weiter zu beschäftigen und ihn zu vergüten; der "Arbeitgeber" könne ihn stattdessen auf die Geltendmachung seiner Rechte gegenüber dem beklagten Kunden verweisen, ohne dass es darauf ankäme, ob dies dem Willen des Mitarbeiters entspräche oder nicht. Dieses offensichtlich nicht sachgerechte Ergebnis ließe sich nur vermeiden, wenn man den unabhängig von einem entgegenstehenden Willen der Parteien eingreifenden § 9 Nr. 1 AÜG nicht entsprechend anwenden würde, sondern die genannten Rechtsfolgen (Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Kunden unter Verlust des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher) von einem entsprechenden Willen des Zeitarbeitnehmers abhängig machen würde, z.B. durch Einräumung eines Widerspruchsrechts nach dem Vorbild des § 613 a Abs. 6 BGB. Eine solche richterliche Rechtsfortbildung sei aber mit der der Rechtsprechung nach Art. 20 GG zukommenden Rolle nicht mehr vereinbar. Deren Aufgabe beschränke sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine richterliche Rechtsfortbildung dürfe aber nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setze (vgl. BAG v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13). Es sei nicht Sache der Arbeitsgerichtsbarkeit, im AÜG ausdrücklich verbriefte Grundentscheidungen des AÜG zu „korrigieren“.

Auch 6. Kammer entscheidet "pro Vorratserlaubnis"!

Der Ansicht der 3. Kammer ist inzwischen die 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg beigesprungen (Urt. v. 07.05.2015 - 6 Sa 78/14): 

Dahinstehen könne – so die 6. Kammer ausdrücklich, ob es sich bei den zwischen der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin und der Beklagten als Werkvertrag bezeichneten Vereinbarungen um Scheinwerkverträge gehandelt und in Wirklichkeit eine Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen habe, da die Vertragsarbeitgeberin für die Gesamtdauer des Einsatzes der Klägerin bei dem Kunden über eine unbeschränkte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt habe und sich hieraus jedenfalls nicht die Rechtsfolge der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses ergebe.



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