Dr.
Alexander Bissels
Betriebsräte im
Kundenbetrieb als "Verhinderer" von Zeitarbeit?!
Nachdem das BAG zu den Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 1
Abs. 1 S. 2 AÜG festgestellt hat, dass bei einem dauerhaften
Einsatz kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und
dem Kundenunternehmen entsteht (BAG v. 03.06.2014 - 9 AZR 111/13;
BAG v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13), werden in der Praxis mitunter
recht „kreative“ Wege beschritten, um eine nicht mehr
vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung dennoch zu
"sanktionieren" – und zwar über den in Kundenbetrieb
gewählten Betriebsrat, der sich – über das ihm gem. § 99 Abs.
2 Nr. 1 BetrVG zustehende Zustimmungsverweigerungsrecht bei der
"dauerhaften" Einstellung des Zeitarbeitnehmer hinaus
gehend (vgl. dazu: BAG v. 10.07.2013 - 7 ABR 91/11; BAG v.
30.09.2014 - 1 ABR 79/12, dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 10/2015 Anm.
1) "befleißigt", um etwas gegen die
"Dauerleihe" zu unternehmen. Regelmäßig sind diese
Ansätze jedoch nicht erfolgreich, wie eine aktuelle Entscheidung
des LAG Niedersachsen zeigt (Beschl. v. 01.12.2014 - 15 TaBV
54/14).
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus für Psychiatrie und
Psychotherapie. Der dort gebildete Betriebsrat will festgestellt
wissen, dass insgesamt 141 bei der Arbeitgeberin eingesetzte
Zeitarbeitnehmer als Arbeitnehmer i.S.d. des § 5 BetrVG anzusehen
sind. Dabei stützt sich der Betriebsrat darauf, dass diese an die
Arbeitgeberin nicht lediglich vorübergehend gem. § 1 Abs. 1 S. 2
AÜG überlassen würden, da sie sämtlich bereits länger als
zwei Jahre und teilweise unbefristet im Betrieb der Arbeitgeberin
auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt würden. Es sei zu
berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin die unternehmerische
Entscheidung getroffen habe, Stellen grundsätzlich über das
Instrument der Arbeitnehmerüberlassung zu besetzen. Die
Rechtsfolge einer nicht vorübergehenden und damit unzulässigen
Arbeitnehmerüberlassung sei die Begründung eines
Arbeitsverhältnisses mit dem Kunden.
Die Feststellungsanträge des Betriebsrates wurden erstinstanzlich
zurückgewiesen (vgl. ArbG Hildesheim v. 24.04.2014 - 1 BV 6/13).
Das LAG Niedersachsen hat auf die Beschwerde des Betriebsrates die
Entscheidung bestätigt. Die im Antrag genannten Zeitarbeitnehmer
seien, selbst wenn davon ausgegangen werde, dass diese bereits
über zwei Jahre an die Arbeitgeberin überlassen worden seien,
keine Arbeitnehmer nach § 5 BetrVG. Richtig sei, dass das BAG die
zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff entwickelte
sog. reine Zwei-Komponenten-Lehre für die Fälle des
drittbezogenen Personaleinsatzes aufgegeben habe (vgl. BAG v.
05.12.2012 - 7 ABR 48/11), jedoch ordne § 14 AÜG an, dass
Zeitarbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei
einem Kunden Angehörige des entsendenden Betriebs des
Personaldienstleisters blieben. Insbesondere seien
Zeitarbeitnehmer bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den
Aufsichtsrat und bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen
Gremien beim Kunden nicht wählbar (§ 14 Abs. 2 S. 1 AÜG).
Daraus ergebe sich klar, dass Zeitarbeitnehmer gerade nicht in
umfänglicher Hinsicht Arbeitnehmer i.S.d. § 5 BetrVG seien.
Daher gehe das BAG auch nach der Modifikation der
Zwei-Komponenten- Lehre davon aus, dass die Frage nach der
Arbeitnehmereigenschaft der im drittbezogenen Personaleinsatz (mit
einer damit verbundenen aufgespaltenen Arbeitgeberstellung)
eingesetzten Arbeitnehmer nicht einheitlich beantwortet werden
könne. Vielmehr seien differenzierende Lösungen geboten, die zum
einen die ausdrücklich normierten spezialgesetzlichen Konzepte,
zum anderen aber auch die Funktion des Arbeitnehmerbegriffs im
jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenhang angemessen
zu berücksichtigen hätten (BAG v. 13.03.2013 - 7 ABR 69/11; BAG
v. 05.12.2012 - 7 ABR 48/11).
Die an die Arbeitgeberin überlassenen Zeitarbeitnehmer hätten
diesen Status in Folge der Dauer der Überlassung nicht
verändert. Diese habe nicht zur Folge, dass individualrechtlich
zwischen ihnen und der Arbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis
begründet worden sei. Besitze der Personaldienstleister – wie
vorliegend – die erforderliche Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung gem. § 1 AÜG, komme zwischen dem
Zeitarbeitnehmer und dem Kunden kein Arbeitsverhältnis zustande,
wenn der Einsatz entgegen der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG
nicht nur vorübergehend erfolge. Einer analogen Anwendung von §
10 Abs. 1 S. 1 AÜG stehe entgegen, dass die Situation eines nicht
nur vorübergehend überlassenen Zeitarbeitnehmers mit der eines
ohne Erlaubnis eingesetzten Mitarbeiters,
(...)
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