Dr.
Alexander Bissels
Wann
verjähren Nachforderungen des Rentenversicherungsträgers?
Nicht nur die arbeits-, sondern insbesondere die
sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen des CGZP-Beschlusses
des BAG vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) sind bislang nicht
eindeutig geklärt. Hoch umstritten ist dabei u.a., ob sich ein
Personaldienstleister, der in der Vergangenheit die Tarifverträge
der CGZP angewendet hat, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
gegen Nachforderungen des Rentenversicherungsträgers
(erfolgreich) zur Wehr setzen kann. In diesem Zusammenhang berufen
sich die Unternehmen nicht nur auf einen Vertrauensschutz in die
Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP (vgl.
Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 20.04.2012 – L 5 KR
9/12 B ER, L 5 KR 20/12 B ER), sondern regelmäßig auch auf eine
Verjährung.
Das SG Frankfurt a.M. musste sich in einem jüngst
veröffentlichten Beschluss mit dem letztgenannten Aspekt befassen
und hat – im Sinne des Personaldienstleisters - entschieden,
dass Nachforderungen des Rentenversicherungsträgers für 2006 und
2007 verjährt sind (Beschl. v. 26.04.2012 - S 18 KR 159/12 ER).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit!
Die 18. Kammer führt aus, dass hinsichtlich der Festsetzung für
diese Jahre ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Prüfbescheides bestehen. Gem. § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren
Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des
Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für die
Beiträge, die im Jahr 2006 fällig wurden, begann die Verjährung
am 01.01.2007 und endete am 31.12.2010, für die Beiträge, die im
Jahr 2007 fällig geworden sind, begann die Verjährung am
01.01.2008 und endete am 31.12.2011. Der streitbefangene
Prüfbescheid erging – so muss die Entscheidung verstanden
werden – aber erst im Jahr 2012.
Keine Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist
Auf die in den Jahren 2006 und 2007 entstandenen Ansprüche findet
die Verjährungsfrist von 30 Jahren gem. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV
keine Anwendung, weil diese voraussetzt, dass die Ansprüche
vorsätzlich vorenthalten wurden. Für die Anwendung dieser Frist
lässt es das BSG zwar ausreichen, dass dem Beitragsschuldner der
den bedingten Vorsatz auslösende Umstand während der
vierjährigen Verjährungsfrist bekannt wird, und stellt insoweit
nicht auf die Umstände bei Fälligkeit der Beitragsschuld ab.
Dabei reicht es aus, dass der Schuldner seine Beitragspflicht für
möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber
billigend in Kauf genommen hat. Allerdings muss seitens des
Rentenversicherungsträgers das Vorliegen des inneren
(subjektiven) Tatbestandes des bedingten Vorsatzes festgestellt
werden. Indizien, die zwingend auf diesen Vorsatz im vorliegenden
Fall schließen lassen könnten, sind seitens des
Rentenversicherungsträgers aber nicht ermittelt worden. Allein
der Umstand, dass das BAG am 14.12.2010 die fehlende
Tariffähigkeit der CGZP festgestellt hat, reicht angesichts der
Vielzahl der in diesem Zusammenhang kontrovers diskutierten
Rechtsprobleme nicht aus. Das Unternehmen hat insoweit
unwidersprochen vorgetragen, dass der Beschluss des BAG erst im
Frühjahr 2011 im Volltext zur Verfügung stand. Über die
Rechtsfrage, ob dieser Entscheidung Wirkung für die Zeit vor dem
14.12.2010 zukommt, ist sowohl in der Arbeits- als auch in der
Folge in der Sozialgerichtsbarkeit erheblicher Streit entbrannt,
der den bedingten Vorsatz des Beitragsschuldners hinsichtlich
einer subjektiven Komponente für die Jahre 2010 und 2011
ausschließt.
Bewertung und Fazit
Die Entscheidung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum
einen hat die 18. Kammer in zwei Beschlüssen vom 19.01.2012 (Az.
S 18 KR 812/11 ER; S 18 KR 813/11 ER) eine (mögliche) Verjährung
nicht angesprochen oder andiskutiert. Dort finden sich auch keine
Hinweise, dass der Antragssteller die Verjährung der
Nachforderungen geltend gemacht hat. Obwohl diese nach h.M.
grundsätzlich von Amts wegen zu beachten ist (vgl. nur: Kasseler
Kommentar/Seewald, § 25 SGB IV Rn. 13 m.w.N.), sollte im Rahmen
des Verfahrens die Frage der Verjährung aktiv angesprochen
werden, um das Gericht „in die richtige Richtung zu lenken“.
Zum anderen zeigt sich, dass die Verjährung zunehmend von den (Landes-)Sozialgerichten
zum Anlass genommen wird, die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der
Rentenversicherungsträger in Abrede zu stellen. Inzwischen liegt
ein zweitinstanzlicher Beschluss des LSG NRW vor, nach dem die
Nachforderungen für das Jahr 2006 verjährt (...)
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