Dr.
Alexander Bissels
Schadensersatzansprüche
bei verweigertem Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen des Kunden
§ 13b AÜG sieht vor, dass der Kunden dem Zeitarbeitnehmer
Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im
Unternehmen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren hat, wie
vergleichbaren Mitarbeitern in dem Betrieb, in dem der
Zeitarbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, es sei denn, eine
unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen
gerechtfertigt. Gemeinschaftseinrichtungen oder -dienste sind gem.
§ 13b AÜG insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen,
Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel. Mit den
Konsequenzen, wenn § 13b AÜG verletzt wird, musste sich jüngst
das Hess. LAG befassen (Urt. v. 09.09.2016 – 10 Sa 474/16).
I. Entscheidung des Hess. LAG
Der klagende Zeitarbeitnehmer verlangt von dem Einsatzunternehmen
Schadensersatz wegen der Verletzung von § 13b AÜG in Form der
Nichtgewährung eines Essenszuschusses und der fehlenden
Bereitstellung eines Dienstwagens, den vergleichbare
Stammbeschäftigte auch privat haben nutzen dürfen.
Das Hess. LAG hat die gegen die klageabweisende erstinstanzliche
Entscheidung gerichtete Berufung des Zeitarbeitnehmers
zurückgewiesen. Das Gericht bestätigt noch die vom Kläger
vertretene Ansicht, dass der Kunde im Falle einer Verletzung der
Verpflichtung nach § 13b AÜG unter Umständen Schadensersatz zu
leisten habe. Zwischen dem überlassenen Arbeitnehmer und dem
Kunden bestehe zwar keine vertragliche Beziehung, gleichwohl aber
eine durch das Überlassungsverhältnis begründete
Sonderverbindung, die Grundlage eines Schadensersatzes nach § 280
Abs. 1 BGB sein könne. Darüber hinaus sei § 13b AÜG als
Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Jedoch seien
weder der Essenszuschuss noch die Gewährung eines Firmenwagens
als „Gemeinschaftseinrichtung" oder
„Gemeinschaftsdienst" i.S.d. § 13b AÜG anzusehen.
Eine „Einrichtung“ setze eine gewisse Institutionalisierung
und Organisation voraus. Der Arbeitgeber müsse eine gewisse
Ausstattung - bewegliche oder unbewegliche Sachen - zur Verfügung
stellen. Bloß einmalige Umstände müssten ebenfalls außen vor
bleiben. Die Leistung müsse der „Gemeinschaft“ zur Verfügung
gestellt werden, d.h. der gesamten Belegschaft oder einer
größeren, nach abstrakten Merkmalen festgelegten Anzahl von
Arbeitnehmern. Typischer Beispielsfall sei die Nutzung einer
Kantine oder des Betriebskindergartens. Keine
„Gemeinschaftseinrichtung“ in diesem Sinne sei hingegen
anzunehmen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen Sachbezug
gewähre, der Entgeltcharakter habe und der Einkommensteuer
unterliege.
Mangels gegenständlicher Einrichtung seien deshalb
Essenszuschüsse nicht von dem Begriff der
Gemeinschaftseinrichtung gedeckt. Gleiches gelte für die
Bereitstellung von Dienstwagen. Zwar bedürfte es hierbei einer
gewissen Verwaltung und Organisation. Die Überlassung eines
Dienstwagens geschehe aber in der Praxis regelmäßig auf
Grundlage einer gesonderten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer, in der der Fahrzeugtyp, der Laufleistung, die Frage
der Besteuerung etc. näher geregelt würde. Die Gewährung sei
regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete
Arbeitsleistung und stehe deshalb im synallagmatischen
Hauptleistungsverhältnis. Dieser Zusammenhang verdeutliche, dass
ein „Zugang" zu einem Dienstwagen ein Arbeitsverhältnis
erfordere. Ein solches bestehe aber zwischen dem Zeitarbeitnehmer
und dem Kunden nicht.
Es handele sich bei der Gewährung eines Essengeldzuschusses oder
eines Firmenwagens ebenfalls nicht um die Bereitstellung eines
Zugangs zu „Gemeinschaftsdiensten". Darunter seien alle
tatsächlichen Dienst- und Serviceleistungen des Arbeitgebers
gegenüber allen oder einer Vielzahl von Arbeitnehmern im Betrieb
zu verstehen. Auch hier gelte das zu den
Gemeinschaftseinrichtungen Ausgeführte entsprechend. Reine
Geldleistungen fielen nicht unter den Begriff der
Gemeinschaftsdienste.
Teilweise würden in der Literatur Bedenken dahingehend
geäußert, dass es nicht einzusehen sei, dass der Kunde für
einen Zugang zu der Kantine haften solle, aber nicht für den
Zugang zu dem (...)
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